Sir Vival erzählt zu verschiedenen Abenteuern


Abenteuer am Blauen Nil und Omo-Fluß

Blauer Nil

Er galt als unbefahren. Tausend Kilometer vom Lake Tana (Äthiopien) bis zur sudanesischen Grenze. Ein wilder Strom. Voll mit Krokodilen. An den Ufern Malariamücken und Tsetsefliegen. Das Buch „Alone on the Blue Nile“ hatte mich darauf aufmerksam gemacht. Der junge Schweizer Kuno Steuben beschreibt darin, wie er es mit einem Floß aus Baumstämmen versucht hat. Er wurde überfallen, verletzt und konnte sich retten.

Ich erkundigte mich bei der Deutschen Botschaft in Addis Abeba. Ist das Buch wahr oder Fiktion? Der dringende Rat der deutschen Botschaft: „Versuchen Sie es gar nicht erst! Zehn Expeditionen sind dort bereits gescheitert. Sie wären die elfte!“ Es folgte eine Liste mit den Gründen der Misserfolge. Einige Expeditionäre waren erschossen worden, andere ertrunken, von Krokodilen gefressen, ihre Boot zerschellt. Es gab  Streit unter Partnern, Aufgabe aus Verzweiflung.

Mich schreckte die Liste nicht ab. Sie war die ideale Gebrauchsanweisung. Jetzt wusste ich, was mir blühen konnte und musste mir gegen alle diese Gefahren eine Gegenmaßnahme ausdenken, ein Ass in den Ärmel stecken.

Die ersten Partner suchte ich per Kleinanzeige im Hamburger Abendblatt. Wir trainierten gemeinsam „Flucht und Wiederfinden“ in einer unbekannten Landschaft, Heimkehr nach Verlust der gesamten Ausrüstung und Überleben mit nackter Haut. Wir bauten ein untergangssicheres und krokodilsicheres Fahrzeug. Es ähnelte mehr einem Floß als einem Boot. Wir testeten es durch einen Wurf aus der ersten Etage meines Hauses auf harten Beton. Wir testeten es in den Wasserwalzen des Elbestaudammes Geesthacht und – verloren es. Es wurde von den Wasserkräften innerhalb einer Nacht zermahlen.

Blauer Nil

Wir bauten ein neues Fahrzeug. Nur stabiler. Das verloren wir am Blauen Nil. Es fehlte uns an Wildwassererfahrung, wir hatten ein Hindernis falsch eingeschätzt - und futsch war die Nummer Zwei. Heimkehr. Bau eines dritten Fahrzeugs. Und damit erreichten wir schließlich das Ziel.

Die Erstbefahrung des Blauen Nil war meine erste „Expedition“ und die Begegnung mit einem Urstück Afrika. Krokodile, Flusspferde, Schlangen, Fische, Sonne, Sterne, Wasser und Brennholz ohne Ende -  in einer fast unbewohnten Landschaft. Freiheit und Glück total.

Michael Teichmann hat darüber einen TV-Film gedreht. Er träumte von einem neuen Film, von einer Zukunft als Filmemacher, von einem Film über die aggressiven Riesenkrokodile,. Wir kehrten ein drittes Mal zurück an den Fluss. Das wurde uns zum Verhängnis. Eines Morgens war unser Camp umstellt von einem Dutzend vermummter Gestalten. Sie schossen ohne Anruf und trafen Michael in den Kopf.

Blauer Nil

Wir anderen beiden, der Schweizer Andor Scholtz und ich hatten zunächst nur Glück. Die Salve hatte uns nicht erwischt. Aber dann konnten wir uns zur Wehr setzen. Jeder von uns trug unter seinem Hemd am Überlebensgürtel einen Revolver. Es dauerte keine zwei Sekunden und wir schossen zurück. Die Gegner flohen, versteckten sich im Gelände und wir nutzten die Verwirrung und entkamen über den Fluss. Fünf Tage Flucht. Dann eine Fahndung. Mit Hubschrauber und äthiopischen Soldaten. Und dem Erfolg, dass wir die Täter gefangen haben.

 

Der Omo Fluss

Der Omo Fluss

Mit neuem Partner (dem Dokumentarfilmer Wolfgang Brög)  setzten wir die Reise auf einem anderen Fluss fort. Er heißt Omo, fließt auch in Äthiopien und mündet in den Lake Turkano (früher Rudolfsee) in Kenia. Er bietet dieselben Naturreize wie der Nil, aber die Anwohner sind nicht so aggressiv.

Am Omo war es das erste Mal, dass ich mit einem eigenen Projekt liebäugelte: der Gründung eines Naturschutzparks. Ein tierreiches Tal in wunderschöner Landschaft, vielleicht vergleichbar mit dem Ngorongoro-Krater in Tanzania, wenngleich viel kleiner. Es sollte mit Prof. Grzimeks Hilfe „mein Nationalpark“ werden. Das Vorhabens scheiterte daran, dass der äthiopische Kaiser gestürzt wurde, und das Militärregime kein Interesse hatte.

Über alle diese Reisen schrieb ich meine ersten beiden Bücher. Heute gibt es sie als Doppelband „Abenteuer am Blauen Nil“. Vielleicht vermag das Buch, Leser zu inspirieren, selbst solche Wagnisse anzugehen. Bis in die Gegenwart hat sich an den Flüssen fast nichts verändert.

Den TV-Film Wolfgang Brögs gibt es als DVD, zusammen mit TV-Dokus über andere meiner Reisen .

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Die Danakilwüste

Danakilwüste

Michaels Ermordung hat mich gelehrt, anders zu reisen. Selbst die scheinbar unbewohnteste Gegend gehört immer irgendjemandem. Den muss man herausfinden und ihn um Durchreiseerlaubnis bitten.

Das praktizierte ich mit meinen Freunden und Begleitern Klaus Denart (Begründer des europaweiten Globetrotter Ausrüstung-Konzerns mit Stammsitz in Hamburg) und dem Chemiker Horst Walter bei der Durchquerung der Danakilwüste in Ostäthiopien. Angeblich hatte sie noch niemand durchquert. Die Einwohner (Afar) galten als fremdenabweisend. Alle Männer sind bewaffnet. Die Geschichte hat sie gelehrt, keinem Fremden zu trauen. Viele unserer Vorgänger waren getötet worden. Selbst eine Armee von 500 ägyptischen Soldaten verschwand auf Nimmerwiedersehen. Vergiftete Brunnen und die Hitze (bis zu 54 Grad im Schatten) sind die gefährlichsten Waffen der Afar.

Uns reizte die Reise aus mehreren Gründen. Es war weniger die Lust auf einen Rekord, als mehr die Überwindung der erwähnten Abneigung der Einwohner gegen Fremde und die Konfrontation mit der fantastischen vulkanreichen Urlandschaft: Salzseen bis zum Horizont, Schwefelquellen wie Blumengärten, speiende Vulkane und die große unendliche Weite. Erschwerend kam hinzu, dass dort ein Bürgerkrieg tobte (1977). Die Afar Liberation Front und die Eritrean Liberation Front befanden sich im Aufstand gegen die brutale kommunistische Regierung Äthiopiens. Wir hatten keine staatliche Erlaubnis zum Betreten des Landes. Wir befanden uns illegal in der Danakilwüste.

Auch hier hing alles von der richtigen Strategie ab. Bewusst gingen wir diesmal unbewaffnet. Statt der Waffen hatten wir Leibwächter, denen wir vom ersten Gastgeber anvertraut worden waren. Sie wurden im nächsten Dorf ausgetauscht gegen neue Body Guards.

Um uns beliebt zu machen, nutzte ich mein medizinisches Grundwissen, den Menschen zu helfen. Nirgends gab es einen Arzt. Jede Kopfschmerztablette war deshalb schon hilfreich. Chemiker Horst war zuständig für eine Versuchsreihe: die Wasserproduktion aus Luftfeuchtigkeit. Mit Hilfe der stark hygroskopischen Chemikalie Zeolith sammelte er nachts Luftfeuchtigkeit ein und entzog sie ihr tagsüber mit Hilfe starker Hitze. Dabei half ihm ein großer Parabolspiegel. Die Chemikalie war immer wieder be- und entladbar. Medizin und Wasser wurden unsere Garanten für die  Durchquerung der Wüste.

Danakilwüste

Bis heute zählt dieser Marsch zu den interessantesten Reisen unseres Lebens. Er dauerte viereinhalb Monate. Großartige Partner, täglich neue Überraschungen und die große Gastfreundschaft der Nomaden, machten sie zu etwas ganz Besonderem. Wir wurden Augenzeugen der Kämpfe, gerieten in Eritrea in Gefangenschaft, wurden mehrfach überfallen und erlebten zweimal, dass unsere Gastgeber sich mit ihrem Körpern als lebende Schilde vor uns stellten, um uns zu schützen. In der Danakilwüste wurde meine Sympathie für die große  islamische Gastfreundschaft begründet. Aber niemals hätte ich mir damals träumen lassen, dass die dort erlangte Erfahrungen und der Respekt gegenüber den Menschen mir später beim Kampf gegen die Weibliche Genitalverstümmelung von Ausschlag gebender Hilfe werden würden. Oder dass ich einst mit eigener fahrender Krankenstation zurückkehren würde in dieses Land, um mich für das Erlebte zu bedanken.

Danakilwüste

Bei den Afar in der Danakilwüste wurde das Samenkorn für meine heutige Menschenrechts-organisation TARGET und ihre „Pro-Islamische Allianz gegen Weibliche Genitalverstüm-melung“ gelegt.

 

 

 

 

Klaus Denarts Filmdokumentation „Durchs Höllenloch der Schöpfung“ gibt es auf DVD bei

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Das Sperrmüllfloß

Sperrmüllfloß

„Das Sperrmüllfloß“ war eine Aktion mit Jugendlichen für den Schutz der Elbe.Eine heimische Aktion vor der Haustür. Die Idee kam mir auf dem Amazonas inmitten all der bunten zwei- und mehretagigen Schiffe. „Warum gibt es sie nicht auf der Elbe?“, ging es mir durch den Kopf.  Um das auszuprobieren, mangelte es an Geld. Warum dann nicht ein Kompromiss? Ein einfaches Floß, aber zweigeschossig und kunterbunt wie Pippi Langstrumpfs Kinderzimmer.

Die Idee ließ mir keine Ruhe mehr. Ich baute ein kleines Modell, testete es auf dem Bach neben meinem Haus. Als es sich bewährte, konnte der Bau beginnen. Die zuständigen Behörden hatten keine Bedenken. Wir mussten lediglich zwei Außenbordmotoren mitnehmen, um manövrierfähig zu sein, ein Steuer- und Backbordlicht und nachts anlegen. Alle Teilnehmer mussten einen Binnenschifferschein machen.

Um das Angenehme mit etwas Nützlichem zu verbinden, sollte die Mannschaft aus jungen Menschen bestehen, denen ich die Schönheit und die Probleme des Flusses zeigen wollte. Das waren die Abwassereinleitungen der Fabriken, das war der Schmutz, der aus der DDR kam. Deshalb auch die Idee, in Dresden zu starten. Mit drei Jugendlichen von drüben und dreien von hüben. Mädchen und Jungen.

Schnell kam die erste Desillusionierung. Staatsratsvorsitzender Erich Honnecker lehnte mein Anliegen ab. „Wegen Gefährdung der DDR-Schifffahrt“. So starteten wir an der DDR-Grenze. Christine Schmidt, ZDF-Redakteurin, begleitete die Reise filmisch. Das Fahrzeug war ein echter „Hingucker“. Auftriebskörper waren mehrere Kubikmeter Styrodur. Sie waren umgeben von zwölf alten Telefonmasten. Die Decks bildeten starke Fichtenbretter.

Die gesamte Einrichtung hatten wir auf dem Sperrmüll zusammen gesucht. Im Parterre waren das Wohnzimmer mit einer Sesselgruppe, ein Labor, Kochnische und Toilette. Teppiche, Gardinen, Blumenkästen sorgten für Gemütlichkeit. Außen pendelte ein Fahrrad für kleine Erledigungen.

Eine schmale Treppe führte aufs Oberdeck. Dort war unser Garten mit Salatbeeten und Tomaten. Ein Hühnerstall mit sechs Hühnern und einem Hahn sorgten für das morgendliche Frischei.  Hund, Ziege und Gitarre sorgten für Unterhaltung und eine Badewanne ermöglichte das Baden, wenn die Elbe unzumutbar war (also immer).

Vor allem während der ersten 80 Kilometer entlang der DDR-Grenze waren wir ständig unter der Beobachtung durch ostdeutsche Grenzsoldaten. Selbst aus fünf Metern Entfernung observierten sie uns mit Sonnenbrillen und Ferngläsern von ihren Booten aus. Zur Sicherheit begleitete uns deshalb auch ein Patrouillenboot des westdeutschen Grenzschutzes.

Die Reise dauerte drei Wochen und endete an der Nordsee bei Cuxhaven. Anfangs, mit der Strömung rund um die Uhr, ging sie schnell voran. Ab dem Stauwerk Geesthacht verlief sie langsamer. Ab dort wirkten die Gezeiten. Nur bei ablaufendem Wasser konnten wir weiterfahren.

Durch die tägliche Berichterstattung im NDR-Hörfunkprogramm kannte uns jeder. Überall erhielten wir Besuch von den Anwohnern, den Bürgermeistern, und Neugierigen. Das Sperrmüllfloß wurde zur Elbe-Attraktion. Man brachte uns frische Erdbeeren und Erbsensuppe. Wir besuchten anrainende Fabriken und ließen uns von den Firmenchefs vorgaukeln, wie sauber das Wasser ist, das ihre Fabriken verlässt. Mitfahrer Frank Jester war unser Laborant. Er untersuchte das Wasser und kontrollierte die Aussagen.

Später wurde das Floß noch einige Male in Einkaufzentren ausgestellt. Dann „demontierten“ es Jugendliche auf irgendeinem Spielplatz.

Es entstand die Dokumentation „Mit der Elbe abwärts“ ( erhältlich bei Komplett Media Verlag, ISBN –13: 978-3-8312-9352-0).

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Ausgesetzt im Regenwald

Ausgesetzt im Regenwald

Auf die Idee brachte mich ein sechsjähriger Yanomami-Knirps, barfuß bis zum Hals, mit nur einem Stock als Ausrüstung. Sechs Stunden führte er mich durch pfadlosen Urwald in Nordbrasilien heim in sein Dorf. Woran er sich orientiert hat, blieb mir ein Rätsel. Kaum, dass er mal aufblickte. Seitdem träumte ich davon, es ihm gleichzutun. Ohne Ausrüstung wollte ich mich irgendwo allein aussetzen lassen und nur mit meinem Survivalwissen heimfinden.
   Zum 68. Geburtstag war es soweit. Ein Hubschrauber hatte mich im nördlichsten brasilianischen Regenwald am Seil in das dampfende grüne Dickicht abgelassen. Mitten in die Unendlichkeit des Regenwaldes südlich der Grenze zu Surinam. Regenwald von Horizont zu Horizont, durchzogen von Wasserläufen. Kein Dorf , kein Mensch. Unberührte Wildnis.
   Ich hatte weder Karte noch Kompass, weder Nahrung noch Medikamente, weder Waffe noch Garderobe. Alles, was ich benötigte, sollte mir der Wald liefern.
   Das einzige, was ich bei mir hatte, waren zwei Fotoapparate, ein Baumstativ, eine Filmkamera, ein Satellitentelefon, eine Solarplatte für den Strom. Verpackt in zwei wasserdichten Beuteln. Am Körper ein T-Shirt, eine Badehose, ein paar Turnschuhe. Anstandshalber.
    Zuvor hatten die Waiapí-Indianer mir ein Training von zwei Wochen geboten. Es war ihr Dankeschön für die kleine Krankenstation, die Annette und ich ihrem Volk gebaut hatten. Dieses Training, meine Erfahrungen aus der Yanomami-Zeit und mein Wissen um Steinzeit-Survival, sollten mir den Weg nach Hause ermöglichen.
   

Ausgesetzt im Regenwald

Schon die Landung geriet zum Fiasko. Am 45-Meter-Seil schwang ich in ein Gebüsch, das mit Dornen gespickt war. Meine Beine bluteten wie bei einer Schlachtung. Insekten stürzten sich darüber her, legten ihre Eier ab. Daraus entwickelten sich viele Furunkel. Als ich daran herumdrückte, kamen kein Eiter, sondern kaulquappengroße Larven zum Vorschein - Larven der Dasselfliegen! Ich esse sie auf und minimiere damit den Schaden.

Mein erstes Werkzeug war ein Stock. Waffe und Stöberstab zugleich wie der bei jenem kleinen Yanomami-Nackedei.

Nach vier Stunden bereits ein Bach. Damit war der Heimweg vorbestimmt und garantiert. Meine oberste Heimkehrregel: alle Wasser Nordbrasiliens münden in den Amazonas. Weit vorher trifft man auf  Menschen. Dort sollte die Reise enden.

Lianen werden zur Hängematte verflochten. Ein Stein ergibt ein Beil. Mit dem Beil kann ich mir ein Floß bauen. Die dafür verwendete Pflanze ähnelt äußerlich dem Bambus, von der Konsistenz her aber eher dem Rhabarber. Sie ist massiv gefüllt mit einem Fruchtfleisch, das sich nicht voll saugt mit Wasser. Wie Styropor. Sie ist leicht zu fällen.

Ich sehe Mengen an Vögeln, einige Kaimane, Affen, die Spuren des Jaguar und Fische. Einer springt auf mein Floß. Mein erster Fisch. Die aus Fasern selbstgemachte Angel hat keine Chance. Bevor ein „Normalzahn-Fisch“ anbeißt, kappen die Piranhas die starken Schnüre.

Statt der Fische kann ich eine zwei Meter große unbekannte Boa fangen, hoffe, eine Neuentdeckung gemacht zu haben. Später stellt sich heraus, dass mir jemand zuvor gekommen ist. Beim Einfangen des Tieres spuckt es in seiner Erregung einen frischgefangenen Fisch aus. Mein zweiter Fisch auf der Reise. Ich bin ein Glückspilz.

Die Schlange lasse ich frei. Ich lebe hauptsächlich vegetarisch. Es ist Erntezeit der Stachelpalm-Nüsse. Sie liegen massenhaft unter den Bäumen. Manchmal sind statt der Nüsse dicke gelbliche Larven in den Früchten. Dann esse ich die Larven. Lecker wie Nusspudding.
   
23 Tage lang treibe ich den immer größer werden Strom talwärts. Dann lande ich bei Indianern. Demnach hat mich der Pilot illegal in einem Indianer-Schutzgebiet abgesetzt. Durch die Radioverbindung der Indianer erfahre ich, dass nach mir gefahndet wird. Ein Staatsanwalt wirft mir Biopiraterie vor. Er hatte einen Zeitungsbericht gelesen und erfahren, dass ich mich bei den Waiapí nach den Medikamenten des Waldes erkundigt hatte. Bei der Gelegenheit stieß er auch auf meine alte Strafakte mit den Aktivitäten im Yanomamiland.

Ich verstecke mich in Manaus. Die Botschaft der Bundesrepublik hilft mir, ungeschoren davon zu kommen. Der Staatsanwalt gibt sich mit einer Zahlung von 300 Euro zufrieden. Wegen des Reisens ohne Pass. Fair.

(Das Buch zur Reise heißt „Abenteuer Urwald“. Es ist ein Doppelband, der auch die Geschichten  der Morde um Tatunca Nara erzählt - siehe nächstes Kapitel)

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Die Morde um Tatunca Nara

Tatunca Nara

Tatunca Nara lebt in Barcelos am Rio Negro. Er sollte mein erster Führer zu den Yanomami-Indianern werden. 1982. Geradezu ein Glücksfall, schien es mir. Tatunca beherrschte Deutsch, Indianersprachen und Portugiesisch. Er war ein Mischblut. Sein Vater indianischer Häuptling, die Mutter eine geraubte (!), katholische (!), deutsche (!) Nonne! Welch eine Geschichte! Wer könnte mich, der ich zuvor nie für längere Zeit allein im Urwald gewesen war, besser führen und mir dessen Geheimnisse besser erklären als ein Häuptling persönlich?

Tatunca konnte erzählen, dass es einem die Sprache verschlug. Von morgens bis abends, tagelang, nächtelang und jede neue Geschichte war eine weitere Sensation. In Tatuncas Gesellschaft brauchte man keinen Schlaf mehr. Er war eine Aufputschdroge in Menschengestalt.

Nach dem Tode seiner Eltern sei nun er der Häuptling geworden. Verantwortungsbewusst habe er habe sein Volk in einer geheimen unterirdischen Stadt untergebracht, weil „der Weiße“ bisher alle Indianervölker umgebracht habe. Ohne ihn, Tatunca, das machte er mir klar, käme ich niemals lebend von den Yanomami zurück. Mehrere andere junge Leute, die ähnliches wie ich vorgehabt hätten, seien nie mehr zurückgekehrt. Von einigen habe man nur noch die Leichen gefunden.

Die Geschichten faszinierten mich. Im Kopf entstand bereits mein Buch über den großen Winnetou von heute.

Das änderte sich schlagartig. „Weißt du, ich spreche auch deshalb so gut Deutsch, weil bei meinem Volk in der unterirdischen Stadt noch zweitausend Soldaten von Herrn Adolf Hitler leben. Die sind im letzten Weltkrieg mit einem U-Boot den Amazonas heraufgekommen, um Brasilien von hinten anzugreifen, wenn Herr Hitler vom Atlantik her angreifen würde. Mein Vater hat sie damals aufgenommen und versteckt.“ 1982.

Tatunca Nara

Ich war schlagartig desillusioniert. Die Konsequenz: ich ging ohne Tatunca zu den Yanomami. Das war meine Rettung. Mein Schutzengel hatte wieder einmal überzeugende Arbeit geleistet. Sonst zählte auch ich längst zu den Toten, die gefunden wurden. Denn ich passte gut in das Raster der Opfer. Bis dahin hatte ich ihn nur für einen begnadeten Erzähler gehalten, einen Menschen mit einer faszinierenden Lebensgeschichte. Jetzt war er für mich ein Fantast, ein Spinner.

Dass hinter seiner Geschichte noch viel mehr steckte, dass er in Wirklichkeit ein weggelaufener Deutscher aus Nürnberg war, der Frau und Kinder im Stich gelassen hatte, dass die Toten in unmittelbarem Zusammenhang zu ihm standen, das ergab sich erst nach meiner Rückkehr von den Yanomami. Stück für Stück.

Denn Tatunca hatte einen großen Fehler begangen.

Buch: „Abenteuer Urwald“ .- die Morde um Tatunca Nara
ZDF-Reportage: Das Geheimnis des Tatunca Nara ( mail@irisfilm.de)

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